~~DISCUSSION~~

19.02.2012 12:45:46

Nur so ein Gedanke. Zur Netzzensur, Twitter und der informationellen Dritten Welt.

Was ist eigentlich, wenn das worst-case-Szenario, dass uns Meinungs- und Kommunikationsgegner antun können, nicht der Entzug sondern eine Maximierung der Unkomfortabilität des Internet ist? Beim Durchhören von CRE (fka Chaosradio Express) Telecomix - in dem es unter anderem um Revolutionen mittels Sozialer Netzwerke und die Verfügbarmachung von Internet, wenn deine Regierung es abgestellt hat ging - wurde die Rolle von Twitter & Co im Rahmen der Aufbegehren in der "arabischen Welt" angesprochen. Dabei gab es wohl unterschiedliche, staatliche Einshränkungen der Kommunikationsmöglichkeiten. Wenn das Netz weg ist, merkt man dabei sofort, dass etwas "gemacht" wird, dass eine Manipulation stattfindet. Es gibt aber auch die Varianten, dass der Netzzugang nur teilweise, nur für bestimmte Dienste, unregelmäßig oder gedrosselt erreichbar ist. Dieses "halbherzige" Netz ist natürlich für die meisten Nutzer ärgerlich, aber nicht zwingend ein Grund, um Verdacht einer Beeinflussung zu schöpfen. (Man bedenke wie oft man selbst zuhause Probleme bei der Erreichbarkeit von Seiten oder Probleme mit dem Netzzungang hat.) Einige Telecomix-Aktivisten haben eine Telefonnummer zur Verfügung gestellt, über die ein Zugang zum Internet über einen Anschluss in Deutschland möglich war. Dieser wurde auch genutzt, allerdings führt auch eine solche Verbindung zu Leistungseinbußen. In all diesen Fällen von Grenzversorgung mit Internet, machen die datenaufwändigen Dienste (Youtube, etc.) im Netz keinen Sinn mehr. Man kann zwar nicht von direkter Zensur sprechen (denn erreichbar sind die Seiten ja), aber von einer freien Nutzung zu sprechen ist genauso grotesk. Aber weiter: Ich frage mich schon länger, warum bspw. die Browserversion von Twitter mit jedem Umbau und Update langsamer zu werden scheint. Eine Nutzung des Dienstes über die Webschnittstelle finde ich bereits in Deutschland nicht wirklich ertragbar, wie muss das erst in einem vor sich hin tröpfelnden Internetland aussehen? Es stellt sich also die Frage, welchen Sinn es hat, einen im Grunde genommen sehr bandbreitensparsamen Nachrichtendienst durch solche Webschnittstellen unnötig auszubremsen. Und dann kam ja neulich diese selektive Zensurmeldung dazu. In einigen Ländern sollen schlüsselwortbasiert Tweets gelöscht werden können. Auch wenn Tim Pritlove im letzten NSFW der Meinung war, dass dies eigentlich ein Zensurdetektor ist, so werden die allermeisten Benutzer auch hier nichts von einer Zensur merken, da sie nicht länderübergreifend vernetzt sein werden. Da geht dann mal eine Nachricht verloren. Das passiert ja mal. Wieviele "dieser Link ist nicht verfügbar"-Meldungen hatten sie denn diese Woche? (Ein anderer Aspekt hierbei ist die nutzergenerierte Machtstellung der drei, vier großen Monopolisten im Netz. Twitterzensur ist nur dann relevant, wenn Twitter, das "Leitmedium" auf einem Gebiet ist bzw. wir gesellschaftlich dulden, dass wir uns informationstechnisch nicht ökonimisch emanzipieren, was man ja u.a. mittels Bildung beeinflussen könnte.) Was mir aber weiter durch den Kopf ging war, ob wir, die wir in vorgeblich freiheitlichen Ländern leben, nicht Mitschuldige an der Generierung der nächsten "informationellen dritte Weltländern" sind? Und zwar dadurch, dass wir mit unseren Bandbreiten Späße wie langsame Twitterseiten ertragen können. Durch deren Duldung allerdings ermöglichen wir Regierungen, ihre Bevölkerung durch gedrosselte Quasisperrung des Netzes vom Austausch untereinander und mit der Restwelt auszuschließen. Oder anders: Bei jedem Warten auf das Fertiglden einer Webseite, einer Übertragung auf dem Handy oder sonstigen Endgeräten, kann man sich ja mal fragen, wie lange das wohl dauern würde, wenn man nur ein Zehntel oder Hunderstel der Versorgungsgeschwindigkeit hätte. Und welche Auswirkungen das auf die eigene Kommunikation hätte. Wie gesagt, nur so ein Gedanke. Viellicht gibt es andere, plausiblere Gründe warum Twitter im Browser so langsam ist. Vielleicht reicht die Anbindung via Telefon nach Deutschland locker aus, um das Internet in vertretbarer Geschwindigkeit nutzen zu können. Vielleicht sollte man nicht immer hinter allen möglichen Verknüpfungspotentialen eine Verschwörung sehen. Es wäre ja prima, wenn an solchen Befürchtungen nichts dran wäre.