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 + ~~DISCUSSION~~  
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 + ~~NOTOC~~
 + <html><postdate></html>01.07.2013 21:48:44<html></postdate></html>
 + ====== Wir müssten reden, aber wir haben die Sprache verloren. ======
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 + <p><img src="http://files.vehtoh.de/2013/20130701_lovehate.jpg"/></p>  
 + <p>Was ist los? Klar, wie immer geht alles des Bach runter. Heute: Die Sprache - oder vielmehr die Kommunikationsleistung, die Sprache in der Lage sein sollte, herzustellen. Wir verstehen uns nicht mehr. Wir reden über die selben Dinge, meinen aber so lange die gleichen, bis wir die Wörter kaputtgesprochen haben. Bis sie nicht nicht funktionieren, weil sie nichts mehr formulieren. Wir haben Begriffe gegen Begriffe getauscht, bis nichts mehr übrig blieb von ihrem Inhalt.</p>  
 + <p>Wir schicken Drohnen fürs Vaterland und befürchten, die anderen könnten ferngesteuerte Flugzeuge benutzen, um das Vaterland anzugreifen. Wir misstrauen unseren Freunden, weil wir fürchten, unsere Freunde könnten uns kein Vertrauen entgegenbringen. Wir gewähren den einen widerstands- und bedenkenlos Zugriff auf unsere Daten und gegenüber den anderen, die uns danach fragen, empören wir uns aufs Schärfste. Wir verurteilen übermäßige Polizeigewalt bei anderen und fordern Mäßigung der Kritik an übertriebener Gewalt von Polizei bei uns. Wir fordern Gerechtigkeit und sind längst nicht mehr in der Lage Recht zu gewähren.</p>  
 + <p>Es sind nicht mehr die Generationen, die unterschiedliche Sprachen sprechen. Auch nicht die da oben, die anders reden, als die da unten. Es gibt diese kommunikationshomogenen Gruppen nicht mehr (Wenn es sie jemals gab). Es gibt aber sicher keine funktionierenden Methoden, sich über Begrifflichkeiten zu verständigen. Und es gibt keine Instanz die glaubhaft für alle (oder mindestens die meisten) die Bedeutung von Begriffen aufrechterhält. Vor der Furcht, jemand könnte etwas anders meinen als wir, vielleicht gar anderer Meinung sein, als wir, haben wir uns im Festklammern an Worthülsen ergeben. Wie Ameisen krabbeln wir hektisch durch leergekaute Bohnenschoten und versichern uns unser Abendessen.</p>  
 + <p>Und jeder bekommt was er gerne mag. Es ist ein trügerischer, verführerischer Zustand in dem jedes seine Zufriedenheit im Jetzt finden kann. Anders als bei Bichsels <a href="http://www.univie.ac.at/ims/koeppl_lv/Mth_04/Bichsel_Tisch.htm">Ein Tisch ist ein Tisch</a> vollziehen wir keine komplette Umbezeichnung der Dinge. Wir bekommen auch keine vereinfachten Wörter oder eine reduzierte, positivistische Sprache wie bei Orwell vorgesetzt. Es scheint eher so, als beträten wir Neuland, was das Sprechen angeht. Nur, dass wir dabei zugleich nicht um Verständigung bemüht sind, sondern um ... Genugtuung. Wir reden um des redens Willen. Um jedem das Gefühl zu geben, mit dabei zu sein. Nicht zu kurz gekommen, berücksichtigt worden zu sein.</p>  
 + <p>Reden ist das eine, das Tun zeigt das andere. Jemandem zuhören, ihm beipflichten und bestätigen, um dann das zu tun, was man ohnehin vorhatte, ungeachtet seiner/ihrer Argumente, Standpunkte und Sichtweisen, das nannte man früher 'verarschen'. Kann sein, dass das mittlerweile auch schon etwas anderes bedeutet. Vielleicht sogar etwas positives. Es würde mich nicht wundern, wenn 'verarschen' in ein paar Jahren synonym zu 'sich einigen' gebraucht würde. "Nach langen Verhandlungen haben sich alle Beteiligten verarscht."</p>  
 + <p>Wir haben die Sprache verloren, wir haben die Fähigkeit verloren, Begriffe neu auszuhandeln und nun berauben wir uns unseres wichtigsten - des wichtigsten, jemals dagewesenen Kommunikationsmediums. Wer sich an die #Aufschrei-Sache erinnert, der kann vielleicht den Gedanken nachvollziehen, dass vielleicht der erste wirklich weitreichende gesellschaftliche Normierungsprozess war, der sich im Netz vollzogen hat und darüber hinaus in den nicht angeschlossenen Teil der Bevölkerung hineingewirkt hat. Natürlich haben die klassischen Medien mit ihren gewohnten, gewöhnlichen "Einordnungsversuchen" versucht, dem Konsumenten die Problematik aufzubereiten und eine Bewertung vorzugeben. Aber glücklicherweise war das Thema dafür ungeeignet. Es war aber prima geeignet eins klarzustellen: Begriffe, Worte und Sätze lassen sich nicht festschreiben.</p>  
 + <p>Sprache bedeutet eine stetige Auseinandersetzung mit den Begriffen, die ich benutze. Sprache muss erklärt werden, immer und immer wieder. Ich kann mich nicht darauf berufen, ein Wort ein für alle Mal definiert und mit Bedeutung gefüllt zu haben. Es gibt keine ewige Bedeutung. Es gibt keine ewigen Begriffe. Wir aber versuchen gerade, uns mit der stupiden Wiederholung von Wörtern zu überzeugen, anstatt zu erklären, was wir meinen. Anstatt zu erklären, was wir wollen.</p>  
 + <p>Würden alle abgespitzelten Daten/Informationen der CIA, des BND, der übrigen Geheimdienste, alle Facebook- und Twitter-Posts alle Telefonverbindungen, all das offengelegt, für jeden, dann könnten wir anfangen zu erklären, was wir wollen. Und wären wir ehrlich, würden wir feststellen, dass wir eigentlich alle <a href="https://www.taz.de/Neurobiologische-Geschlechtsunterschiede-/!118901/">ziemlich gleich ticken</a> und all die Begriffe, die wir um uns herum auftürmen, nur hohle, leere Bohnen sind.</p>  
 + <p>Wir haben die Sprache verloren, dabei wäre es so wichtig zu reden.</p>  
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