~~DISCUSSION~~
form follws funktion vs. prädispositionierter Ästehtik
Dieter Rams, ehemaliger Chefdesigner von Braun (ich kannte den Namen vorher auch nicht ;) hat der FAZ ein Interview gegeben. Darin tauchen folgende Sätze, in dieser Reihenfolge auf.
"Design ist ganz wesentlich davon bestimmt, dass es Dinge erklärt, ohne dass man lange eine Gebrauchsanleitung lesen muss."
"Guten Geschmack aber muss man lernen, der ist nicht angeboren."
Ich habe mich daraufhin gefragt, ob sich das nicht widerspricht. Wenn er einerseits davon ausgeht, dass es Möglichkeiten gibt Design so zu gestalten, dass es bestenfalls quasi selbsterklärend ist, wieso betont er dann andererseits die Notwendigkeit des Erlernens von "gutem Geschmack", also einer Interpretationsmaske, die erst die logische Verbindung zwischen der Gestaltung eines Produktes und seiner Bedienung herstellt, die einem "Gebraucher" erst ermöglicht, das Design (gemäß den Überlegungen des Designers) in Handlungsempfehlungen umzusetzen? Und weiter: Warum orientiert sich (sein) Design nicht an möglichst grundlegenden, ästhetischen Empfinden der Menschen, die ein Produkt benutzen sollen?
Das setzt natürlich voraus, dass man von diesen grundlegenden, ästhetischen Empfinden ausgeht bzw. ausgehen kann. Geschmack (beim Essen, beim Hören, bei Formen) wird weitgehend gelernt, weswegen bspw. die Würze von Speißen in manchen Kulturen als normal empfunden, die gleiche Würzung in anderen jedoch als sehr scharf/sehr mild, sehr salzig/sehr wenig gesalzen usw. bewertet wird. Bei Klängen gibt es ähnliche Phänomene: In den meisten westlichen Ländern werden andere Klangmuster als harmonisch empfunden, als in asiatischen oder orientalischen Kulturräumen (mehr dazu hier). Dennoch gibt es auch rudimentäre, emotionale Reaktionen (und von nichts anderem spricht Herr Rams ja im Grunde), die durch alle Länder und Völker ähnlich bis gleich "funktionieren". Etwa die Wirkung von Gesichtern auf Kleinkinder oder die Schemata gewisse Merkmale zur Partnerwahl heranzuziehen (Sience.TV der DFG).
Und ebenso wie diese beiden Beispiele, glaube ich, gibt es auch gewisse "natürlich-logische" Funktionalitäten, die man gezielt einsetzen kann. (Auch wenn ich jetzt spontan keine benennen kann - Glauben heißt ja auch nicht wissen!) Jedenfalls scheint mir der Verweis auf das (notwendige) Lernen einer Funktionalitätsästhetik einen anderen Hintergrund zu haben. Das Erlernen einer solchen "Produktsprache" hat viel mehr den Effekt, das "Gebraucher" zu "Verbrauchern" werden. Sie werden Kunden einer bestimmten Marke, einer bestimmten Produktlinie oder eines bestimmten Stils.
Das ist o.k., so lange man dies so darstellt. Ein Designer wird in einem Unternehmen genau dafür bezahlt, den Produkten eine Identität und damit eben auch Funktionalitätslogig zu geben. Jedoch fehlt die Relativierung in dem Interview, dass dies eben in einem marktwirtschaftlichen Umfeld aber nicht generell so sein muss. Herr Rams unterstellt eine genrelle Notwendigkeit des Erlernes (einer) Funktionalitätsästhetik, so als wäre dies nicht bereits Voraussetzung eines jeden Menschen. Ich bitte das jetzt nicht linkspolitisch zu interpretieren. Mir geht es um die Sache (hehe).
Jedes Unternehmen, dass längerfristig am Markt besten will, muss eine solche Sprache entwickeln. Den Kunden ist es ja dann immer noch selbst überlassen, ob sie sich von dieser ansprechen lassen. Ich finde viele Appleprodukte auch schick und bin mir sogar sicher, dass sie deshalb so gut funktionieren, weil sie eben nicht eine (nur) gelernte Funktionssprache spechen, sondern tiefer, einige der richtigen wenn-ich-hier-drücke-will -ich-das-dieses-und-jenes-passiert-Erwartungen bedienen.
Werden die zu bedienenden Apparaturen dann komplexer, kommt man zu der Erkenntnis (in der ich Herrn Rams zustimme), dass die "... Summe gut gelöster Details an einem Produkt [....] letztlich die Gesamterscheinungsform gut" macht. Das konzentrierte Verfolgen einer intuitiv-logischen Funktionalität führt zu einer positiven, ästetischen Gesamtform. Form Follows Funktion oder: Es sollte halt flutschen!